Kirchengeschichte  
 
This page is also available in english
Das kleine Dorf Sylbitz befindet sich nur wenige Kilometer südwestlich des durch seine Stiftskirche weithin bekannten Petersberges. In den historischen Quellen wird der Ort erstmals 1260 als 'Sulwitz' genannt. In der Bestätigungsurkunde des Kaufs von einer Hufe Land durch die Bewohner des Dorfes zum Besten ihrer Kirche wird auch der Pfarrer zu Sylbitz erwähnt. Damit liegen zugleich die erste Erwähnung des Gotteshauses sowie der Hinweis vor, dass Sylbitz bereits in dieser frühen Phase die Pfarrrechte besaß. Der Kirchenbau bestand zu diesem Zeitpunkt allerdings schon etwa 60 Jahre. Durch kunst- und bauhistorische Untersuchungen in Verbindung mit der dendrochronologischen Bestimmung von Bauhölzern aus dem Turmbereich konnte eine Errichtung in der Zeit um 1200 ermittelt werden.
Die sich auf einer Anhöhe am Rand der Ortschaft befindende Kirche besitzt hohe kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung. Eine Besonderheit des Gotteshauses ist in seiner Bauweise als Chorturmkirche zu erkennen. Während sich der Turm an den Dorfkirchen des Saalkreises in der Regel im Westen befindet, ist er hier im Osten - über dem Chor - errichtet worden. Diese vor allem im fränkisch/thüringischen Gebiet bevorzugte Bauvariante lässt sich im halleschen Raum nur vereinzelt finden. Darüber hinaus ist die Sylbitzer Kirche - im Gegensatz zu vielen anderen ländlichen Sakralbauten der Umgebung - kaum von gravierenden Baumaßnahmen betroffen gewesen und hat somit ihren ursprünglichen Charakter fast vollständig bewahrt. Es erfolgten im 17. Jahrhundert lediglich eine Vergrößerung der südlichen Fenster und der Einbau von Empore, Kanzel und Gestühl. 1863 wurde noch die baufällige Leichenhalle durch den heutigen Portalvorbau an gleicher Stelle ersetzt. Die große Anzahl erhaltener mittelalterlicher Schmuckformen und Ausstattungsstücke geben der Kirche eine selten so erlebbare Geschlossenheit. In Sylbitz ist die ursprüngliche Atmosphäre einer ländlichen Pfarrkirche des Mittelalters wie in kaum einer anderen der Region zu erfahren.

Die Kirche besteht aus einem rechteckigen Saalraum, eingezogenem quadratischen Chorturm und halbrunder Apsis. Schiff und Turm werden von Satteldächern bekrönt. Das Mauerwerk ist aus dem regional anstehenden Porphyr errichtet, nur die Eckverbände und Schmuckformen wurden aus Sandstein hergestellt. Die im Gegensatz dazu erfolgte vollständige Aufführung der Apsis aus dem bevorzugten Baumaterial Sandstein lässt sich mit der bewussten Hervorhebung dieses Bauteils als Standplatz des Allerheiligsten, des Altars, am Außenbau erklären. Diese liturgische Wertigkeit der Räumlichkeiten wird auch im Inneren der Kirche in eindrucksvoller Weise inszeniert. Durch die Einziehungen der Baukörper und die stufenweise Erhöhung des Fußbodenniveaus wird eine Raumstaffelung erzeugt, wodurch der Blick nach dem seitlichen Eintreten automatisch nach Osten - auf die Apsis mit dem Altar - gelenkt wird.
Bis auf die Dachkonstruktionen ist die Bausubstanz vollständig aus der Errichtungszeit überkommen. Die nördliche Fensterfront mit den kleinen hochsitzenden Rundbogenöffnungen und das Apsisfenster zeigen noch die eigentliche Form der Belichtung. Die südlichen Fenster sind dagegen in barocker Zeit zur Vermehrung der Helligkeit vergrößert worden. Auf Grund im Mauerwerk verbliebener Gewändereste lassen sich Aussehen und Lage der alten Fenster aber rekonstruieren. Als ursprünglich sind auch die einstige Vierpassöffnung am westlichen Schiffsgiebel und der Oculus an der Südwand des Turmes anzusprechen. Die Glockenstube wird von vier Biforien durchbrochen.

Hervorzuheben ist die für eine Dorfkirche ungewöhnlich aufwendige Gestaltung des Zuganges. Es handelt sich um ein gestuftes Portal mit Rundstabrahmung, das mit einem auf Konsolen ruhenden Tympanon geschmückt ist. In der Mitte des Bogenfeldes ist der Lebensbaum, zu seiner Linken sind Palmettenblätter und Rosetten dargestellt. Sie sind als Paradiessymbolik zu deuten. Die rechte Hälfte zeigt zwei Tiere, die auf Grund der recht handwerklichen Ausführung nur mit Vorbehalt zu identifizieren sind. Ersichtlich ist aber, dass kein biblischer Stoff Thema der Illustration ist, sondern eine Fabel (Wolf / Kranich ?) versinnbildlicht wird.

Von den ehemals vier Schallarkadensäulen hat sich nur die östliche erhalten. Sie weist mit ihrem kelchblockartigen Blattwerkkapitell und der Art der Basisgestaltung bereits eine frühgotische Formensprache auf. Wie Reparaturstellen an der Laibung des Biforiums nahe legen, ist mit einer späteren Einsetzung der Säule zu rechnen.
Qualitätvolle Steinmetzarbeit zeigt sich auch im Inneren der Kirche. Die Sandsteinquader von Triumph- und Apsisbogen weisen typische Bearbeitungsspuren in Form von Randschlägen und überspitzten Flächen auf; die Kämpfer sind spätromanisch profiliert. Für die Quader des Altarblockes lassen die erwähnten Merkmale der Steinbearbeitung ebenfalls auf ein bauzeitliches Alter schließen. Die aufliegende, einfach profilierte Mensa besitzt in der Mitte ein (heute leeres) Sepulcrum zur Aufbewahrung von Reliquien und an den westlichen Ecken aufwendig gestaltete Weihekreuze. Um dem Priester den Umgang in der Apsis zu ermöglichen, ist die östliche Altarfront abgerundet worden. Im südöstlichen Bereich des Chorschlusses befindet sich eine kleine Wandvertiefung, die anfangs zur Aufbewahrung der Messgeräte diente. Die in der nördlichen Chorwand eingelassene Sakramentsnische mit Kielbogenrahmung stammt dagegen erst aus spätgotischer Zeit. Im Wandverlauf ist deutlich eine Baunaht zu erkennen, die durch ihren Einbau bedingt ist. Dadurch werden strukturierte rötliche Malereireste gestört, die im gesamten Chorbereich unter der Tünche durchschimmern und demnach noch aus mittelalterlicher Zeit stammen dürften. Entsprechend der liturgischen Wertigkeit der Räume war natürlich auch die Apsis ausgemalt gewesen; diese Reste wurden allerdings 1951 beim Neuverputz beseitigt.
Im Kirchenschiff befindet sich der kelchförmige Taufstein. Die in vorreformatorischer Zeit ausgeübte Taufe mit vollständigem Untertauchen des Kindes bedingte die enormen Ausmaße. So besitzt der Sylbitzer Stein ein tiefes Becken, das allerdings für den Einsatz einer Taufschale zugesetzt worden ist. Wenn auch nicht aus der Zeit um 1200, so dürfte die Sandsteintaufe aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammen.
Zum weiteren mittelalterlichen Inventar der Sylbitzer Kirche gehört eine Einbaumtruhe. Die aus einem Eichenstamm gefertigte Truhe wurde zum Schmuck und zur Sicherheit mit Eisenbändern umfangen. Sie lässt sich in das 13. Jahrhundert datieren und gehört möglicherweise zur Erstausstattung der Kirche. Dies trifft auch für die kleinere der beiden Bronzeglocken zu, die aufgrund ihrer Form und eines angegossenen Brakteaten in die Zeit um 1200 zu datieren ist.
Empore, Kanzel und Gestühl sind Einbauten aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, die sich auf Grund ihrer Schlichtheit harmonisch in das Gesamtbild einfügen. Von dem barocken Altaraufbau, der noch auf Fotografien aus der Zeit von 1960 zu sehen ist, fehlt mittlerweile jede Spur. Bemerkenswert ist auch die kleine Orgel auf der Westempore, handelt es sich doch um ein frühes mechanisches Werk der bekannten Zörbiger Orgelbaufirma Rühlmann von 1877.

Das hohe Alter hat an der Sylbitzer Kirche seine Spuren hinterlassen. Die größten Schäden wurden allerdings erst durch den langen Leerstand der letzten Jahrzehnte verursacht. Probleme bereiten vor allem die schadhaften Dachflächen sowie die abreißende westliche Schiffswand. Um den anhaltenden Verfall zu stoppen und mit einer denkmalgerechten Sanierung für den Erhalt dieses einzigartigen Bau- und Kulturdenkmals zu sorgen, hat sich 2001 der Förderverein 'Chorturmkirche Sylbitz e.V.' gegründet. Ein weiteres erklärtes Ziel ist, die Kirche durch geistliche und auch kulturelle Nutzung wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen: Mittelpunkt des Gemeindelebens zu sein.
Kirche+von+Südosten+(Zustand+1947) 
[Click -> Vergrößern]

Kirche+von+Süden+nach+der+Neuverglasung+der+Fenster+(Zustand+2002) 
[Click -> Vergrößern]

Kirchenschiff+von+Osten+(Zustand+2002) 
[Click -> Vergrößern]

Grundriß+mit+Bauphasen 
[Click -> Vergrößern]

Apsis+von+Südosten,+vollständig+aus+Sandstein+errichtet+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Weihnachten+2001,+stimmungsvolle+Andacht+mit+musikalischer+Begleitung 
[Click -> Vergrößern]

Kirchenschiff+von+Süden+vor+Beginn+der+ersten+Arbeiten+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Tympanon+des+Nordportals,+Darstellung+einer+Fabel+(Wolf/Kranich)+und+Paradiessymbolik+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Kapitell+der+östlichen+Schallarkade+mit+bereits+frühgotischer+Formensprache+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Spätromanisch+profilierter+Kämpfer+am+Apsisbogen+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Leeres+Sepulcrum+(Reliquiengrab)+in+der+Altarmensa+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Aufwendig+gestaltetes+Weihekreuz+an+der+Nordwestecke+der+Altarmensa+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Nordwand+des+Chores+mit+spätgotischer+Sakramentsnische,+unter+der+Tünche+befinden+sich+mittelalterliche+Wandmalereien+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Kirchenschiff+von+Osten+(Zustand+1959) 
[Click -> Vergrößern]

Einbaumtruhe+des+13.+Jahrhunderts+(Zustand+2000) 
[Click -> Vergrößern]

Sogenannte+Zuckerhutglocke+des+12./13.+Jahrhunderts+(Zustand+1964) 
[Click -> Vergrößern]

 

___________________________________________________________
Inhalt: Dirk Höhne
Gestaltung: Jörg Wicke